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Fahrt ins Glück

 

Hilde ließ sich nach hinten in den frischen Schnee fallen und ruderte mit beiden Armen. Hans tat es ihr gleich und dann standen sie Hand in Hand neben ihren Schneeengel-Abdrücken. Er zog sie an sich und küsste sie.

            „Ich liebe dich! Du bist mein Weihnachtsengel.“

Hilde schmiegte sich in seine Arme. Es war ihr erstes gemeinsames Weihnachtsfest und Hans hatte sie auf die Almhütte seiner Eltern eingeladen, weit weg von allem Trubel. Nur sie zwei, allein in einem Wintermärchen.           

            „Du frierst“, sagte Hans, „lass uns rein gehen.“

In der Hütte schlug ihnen die wohltuende Wärme eines Holzfeuers entgegen. Gemeinsam aßen sie zu Mittag.

            „Jetzt holen wir unseren Weihnachtsbaum!“, verkündete Hans und stellte die Teller zusammen. „Komm, zieh dir was Warmes an.“

Mit einem Ruck zog er ihr die Pudelmütze über die Augen. Lachend schob sie sie in die Stirn zurück.

            „Du meinst, wir fällen selbst einen?“

            „Klar und du darfst ihn aussuchen.“

Er zwinkerte und dann zog er sie an ihrem Schal zu sich heran und küsste sie erneut.

 

Sie stapften hintereinander auf einem Pfad. Hans schlug mit einem Stock gegen einen Ast. Eine Schneedusche ergoss sich auf Hilde.

            „Na warte!“

Sie formte eine Kugel und zielte. „Volltreffer!“

Hans nutzte den Moment ihres Triumphs zu einem Konter. Bald war eine wilde Schneeballschlacht im Gange. Lachend rangen sie nach Atem.

            „Weihnachtsbaum?“, fragte er.

Sie nickte und dann gingen sie eine Weile schweigend nebeneinander her.

            „Schau mal, der da?“

Der Baum hatte etwa ihre Größe und seine Zweige waren nicht allzu ausladend.

            „Perfekt.“

Hans setzte die Handsäge an.

Abends schmückten sie die Tanne mit roten Schleifen und Strohsternen.

 

Hilde nestelte an ihrer Bluse und fixierte sein Präsent, das unter der Tanne lag. Es hatte exakt die richtige Größe. Ob er sie heute fragen würde?

Die Kerzen erhellten die Stube und gemeinsam stimmten sie Stille Nacht an. Dann ging es ans Auspacken. Hilde atmete tief durch. Mit zittrigen Fingern zog sie das rote Geschenkband ab und klappte den Deckel auf. Gebettet in schwarzem Samt funkelten die Rubine, die zwei goldene Ohrstecker zierten. Hilde starrte enttäuscht auf die Schmuckstücke. Sie schalt sich undankbar. Warum musste sie das Ende dieses zauberhaften Tages an einem Antrag festmachen?

            „Gefallen sie Dir?“, fragte er und sein Blick war erfüllt mit Liebe.

            „Sie sind wundervoll“, flüsterte sie an sein Ohr und versuchte, ihre Enttäuschung zu verbergen.

 

Der Morgen war strahlend hell und die Stube duftete nach frischem Tannengrün.

            „Bereit für eine Überraschung?“, fragte Hans beim Frühstück.

Was dann kam, würde sie ihr ganzes Leben nicht vergessen. Mit verbundenen Augen führte er sie aus der Hütte. Der Schnee knirschte unter ihren Stiefeln und sie hörte Stimmen. Die Augenbinde wurde abgenommen und dann sah sie ihn: den riesigen Heißluftballon aus roter Seide. Zwei Männer standen neben dem Weidenkorb und füllten Sekt in Gläser.

Hans kniete vor ihr in den Schnee und ergriff ihre Hand.

            „Du bist das größte Glück, das mir im Leben widerfahren ist. Deshalb frage ich dich hier und heute: Möchtest du meine Frau werden?“

Er streifte ihr einen Ring über den Finger, der den gleichen Stein, wie ihre Ohrringe trug.

            „Ja und ob ich will! Ich liebe dich!“

Vor Freude weinend warf sie sich in seine Arme. Sie stießen mit Sekt an und dann folgten zwei unvergessliche Stunden an einem blauen Himmel über den schneebedeckten Bergen. Am Ende der Ballonfahrt erhielten sie einen Modellballon mit ihren Urkunden.

 

            „Mama? Hallo, frohe Weihnachten!“

Wie immer besuchte sie ihre Mutter am ersten Weihnachtsfeiertag. Seit diese nicht mehr die Energie hatte, das Festmahl selbst zuzubereiten, hatten sie sich darauf geeinigt, essen zu gehen.

            „Bist du im Wohnzimmer?“

Es war gespenstig still. In der Ecke stand der Weihnachtsbaum, geschmückt wie jeher mit Strohsternen und roten Schleifen.

Hilde saß im Lehnsessel am Kamin, das Fotoalbum auf dem Schoß, ein Lächeln auf den blutleeren Lippen. Am Kaminsims hing der kleine Heißluftballon und bewegte sich leicht in der warmen Luft hin und her.